Lookabout

 Ich zeige, was ich sehe

die Fussel - Juni 2012

13. Juli 2012     

Vom nicht Perfekten

Ich muss das Bild immer wieder betrachten. Das heisst, genauer, muss ich immer wieder die Fussel betrachten. Sehen Sie sie? Sie hängt aus dem Blütenstempel raus. Mein Blick bleibt immer wieder daran hängen. Das geht so doch nicht, eigentlich, oder?

Was macht ein Bild richtig? Welche Vorstellungen projizieren wir darauf, so dass ein Bild auf eine ganz bestimmte Weise “gilt”, ja, der Fotogarf in 98% der Fälle schon sich entsprechend positioniert? Warum sollte nicht genau das die Natur sein? Der Stempel dürfte klebrig sein, und daran bleibt wohl immer wieder etwas hängen. Und halb verdorrte Blätter, verblühte Blüten – alles auch Natur, aber nichts davon bestimmt für diesen Ort, DAS Foto. Wir selektieren, wählen aus, heben hervor, schieben anderes beiseite.

Wir färben schön. Wir wollen den Augenschmaus, die Pracht. Das andere soll getrost geschehen, die Wurzel soll ruhig in ihrer knorrigen Gestalt tief unten im Dreck den Nährstoff aufsaugen und ihn hoch puschen, damit hier oben das grosse Kino spielt. Aber da unten hinsehen? Erde samt Würmern eines Bildes würdig sehen?

Darum bleibt einfach mal bei diesem Bild der Fussel dran, der winzig kleine. Und kein Photoshop soll daran etwas ändern.